Zwischen Radikalisierung und Mitgliederschwund - hat FFF noch eine Zukunft?

Fridays for Future - Die größte weltweite Klimaschutzbewegung jemals. In fast allen Ländern der Welt gab es schon Streiks. Allein in Deutschland sind 2019 über eine Millionen Menschen zum Protest am Freitag auf die Straße gegangen. Die Thematik hinter der Bewegung ist so wichtig und präsent wie vielleicht nie. Und trotzdem scheinen keine großen politischen Bewegungen einzutreffen. ALEX Autorin Aurelia Poensgen fragt sich: Wie geht es also weiter mit Fridays for Future?

Fridays for Future- Anfang, Aufstieg und Abschwung

20.08.2018- ein erstes Foto geht um die Welt. Eine 15-jährige Schwedin streikt. Mit einem Pappschild, auf dem „skolstrejkför klimatet“ (zu deutsch: „Schulstreik fürs Klima“) zu lesen ist, sitzt sie vor dem schwedischen Parlament, anstatt zur Schule zu gehen. Mit ihrer Aktion ist sie nicht lange allein. In kurzer Zeit folgen Millionen ihrem Vorbild, in verschiedensten Ländern bilden sich eigene Gruppen. Anfangs vor allem aus Jugendlichen bestehend kommen später auch Untergruppen wie Scientist for Future oder Parents for Future dazu. Sie alle setzen sich für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit ein und gehen freitags auf die Straßen.

Heute ist Greta Thunberg 19, um die mittlerweile seit über vier Jahren bestehende Bewegung Fridays for Future ist es ruhiger geworden. Unter anderem die Coronapandemie machte es der Protestbewegung in den letzten Jahren durchaus schwer. Wie will man auch mit so vielen Menschen weiterhin auf den Straßen demonstrieren, wenn Abstandsregelungen und Quarantäne herrschen? Mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit sind, teils durch die Präsenz anderer aktueller Themen, verloren gegangen. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den Streikendenzahlen bei den „global strikes“

Ein Blick auf die Streikendenzahlen zeigt den massiven Anstieg und Höhepunkt im Jahr 2019. Danach, genau mit Beginn der Coronapandemie sinken die Teilnehmer:innenzahlen wieder enorm. Und auch wenn 2021 wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist, zeigt sich klar: Es gehen nicht mehr die Menschen-Massen, wie noch 2019 der Fall, auf die Straßen.

Klimaaktivismus im Wandel – „Warum machen wir das noch?“

Ich frage mich: Wie sieht es intern aus? Was sagen und denken Aktivist*innen selbst über die Lage von FFF und was machen die aktuellen Entwicklungen mit ihnen? Ich spreche mit Samira (18). Sie ist seit vier Jahren sowohl auf lokaler Ebene in Berlin als auch deutschlandweit aktiv. Außerdem interviewe ich die Ex-Aktivistin Anna (Name redaktionell geändert), 22, die mit 18 - ebenfalls während den Anfängen der Klimabewegung - begonnen hat sich lokal und national zu engagieren. 2022 stieg sie aus der Organisation von Fridays for Future aus.

Zunächst interessiert mich die persönliche Motivation. Was hat die beiden dazu bewegt mit ihrem Aktivismus bei FFF anzufangen und was hat ihre Entscheidung für bzw. gegen weiteres Engagement beeinflusst? Samira erzählt: „Ich habe mich dafür entschieden aktiv zu sein, weil ich damals auf einer der ersten Demos stand, dann das Problem erst so richtig realisiert habe und die Ausmaße gar nicht wahrhaben wollte. Und da gab es dann FFF und ich fand es einfach unglaublich wichtig da auch laut zu sein. Ich bin immer noch dabeigeblieben, weil ich finde, es ist immer noch wichtig und es macht mir auch Spaß auf die Straße zu gehen.“

Für Anna waren es gerade die flachen Hierarchien und die Entstehung aus der Basis der Gesellschaft, kurzgesagt die Graswurzel-Funktion, die die Klimabewegung für sie besonders machte. Für die 22-jährige ist FFF ein Raum, in der sich junge Menschen für Klimagerechtigkeit & Klimaschutz interessieren und sich engagieren wollen. Sie begeisterte besonders, dass dieser sogar in so kurzer Zeit international erfolgreich wurde und so viele junge Aktivist:innen vereinte.

So schön und erfolgreich die ersten Jahre waren, mittlerweile sind einige Aktivist:innen müde, verzweifelt oder hoffnungslos. Anna entschied sich zu einem Ausstieg, weil sie nicht mehr so viel Spaß an dieser Art von Aktivismus hatte und sich eigentlich nur noch aus einem Verantwortungsgefühl heraus engagierte. Für Anna war auch die FFF Konferenz in Turin, Anfang 2022 ein Wendepunkt: „Bei dem Streik am Ende dieser Konferenz hatte ich einfach diesen Gedanken: Warum machen wir das eigentlich noch? Es bringt anscheinend gar nichts. Wir machen das jetzt schon so, so lange und es gibt noch so viele OGs (siehe Infobox) , die immer noch jeden Freitag auf die Straße gehen, Aktionen planen usw. und es hat anscheinend keine Wirkung. 2019 waren über eine Millionen Leute allein in Deutschland auf der Straße. Und wenn man mit so vielen Leuten, gleichzeitig an einem Tag auf der Straße ist und trotzdem irgendwie so wenig bewegen kann, politisch gesehen, ist halt die Frage: Warum machen wir das noch?“

Infobox

OG/Ortsgruppe: Lokale FFF-Gruppe, die an sich selbständig agiert z.B. eigene Demos und Aktionen plant und durchführt. Die Größen dieser Ortsgruppen sind je nach Standort sehr variabel und auch die interne Organisation ist unterschiedlich geregelt. OG´s sind durch gewählte Deligierte auch auf Bundesebene vertreten.
BE/Bundesebene: Zusammenschluss von den Aktivist:innen  und den Deligierten der Ortsgruppen. Dieser ist durch Arbeitsgruppen (AG), die Taskforce (TF) und ähnlichen Strukturen organisiert, um deutschlandweit zu koordinieren und zu planen.

Forderungen und Reaktionen auf fehlendes politisches Handeln

Viel Einsatz trifft auf wenig politisches Handeln. Ich verstehe, dass das frustrierend ist. Doch was fordert FFF eigentlich von den Politiker:innen?

Die Forderungen orientieren sich vor allem an den Abmachungen der Pariser Klimakonferenz. Außerdem wird besonders auf die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels Wert gelegt, also, dass die globale Temperatur, um nicht mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau steigen soll. Auf nationaler Ebene fordern die deutschen FFF nach eigenen Angaben außerdem konkret das Nettonull (siehe Infobox) bis 2035, den Kohleausstieg bis 2030 und 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035 in Deutschland. Hier finden sich alle Forderungen von FFF Deutschland.

Infobox

Nettonull: Das Nettonull bezieht sich auf die Treibhausgasemissionen. Die Forderung dabei ist, dass alle ausgestoßenen Gase wieder gebunden (also aus der Atmosphäre gezogen) werden müssen. Dieser Bindungs-Prozess findet zum Beispiel in Wäldern oder Mooren ganz natürlich statt, kann aber auch durch Menscheneinfluss erfolgen. Hier gibt es mehr Infos zum Nettonull.

Neben dem durch die Enttäuschung einhergehenden Rückzug einiger Aktivist:innen gibt es auch weitere Reaktionen auf das fehlende politische Handeln: Klimaaktivist:innen „radikalisieren“ sich. Aktuell sind vor allem Aktionen der Gruppe „Die letzte Generation“ im Fokus der Medien und Politik. Sie haben ähnliche Forderungen wie FFF, aber eine andere Herangehensweise. Menschen kleben sich an den unterschiedlichsten Orten fest und blockieren dadurch teils wichtige Infrastrukturen. Durch ihre weniger umsichtige, „radikalere“ Art des Klimaaktivismus bekommen diese Aktionen gerade deutlich mehr Aufmerksamkeit als FFF.

Ich frage mich, ob deshalb Radikalisierungen auch innerhalb von FFF nötig sind und ob es FFF in der aktuellen Form überhaupt noch braucht. „Also ich glaube schon, dass ein bisschen Radikalismus benötigt wird, um die Klimabewegung auch möglichst divers zu gestalten. Es wäre schade, wenn alle irgendwie das Gleiche machen. Ich finde es auch sehr wertvoll, dass FFF relativ divers ist, auch in ihren Aktionsformen. Und ich glaube schon, dass wir Fridays for Future schon sehr stark brauchen, weil wir eine sehr niedrige Schwelle an Mitmachlevel haben. Also ich glaub es ist einfacher mal einen Tag mit auf die Straße zu gehen, als sich einen Tag irgendwo festzukleben.“, sagt Anna zu dem Thema.

Kann sich Fridays for Future neu erfinden?

FFF scheint also schon noch Bedeutung zu haben und gerade durch seine Einfachheit zu punkten, welche ein diverses Publikum ermöglicht. Nicht zuletzt bietet diese Aktionsform vor allem auch jungen Menschen die Möglichkeit mit Gleichgesinnten vereint politisch aktiv zu sein und gehört zu werden. Genau dieses Konzept ermöglichte auch den Aufstieg der Bewegung. Trotzdem kann man die aktuell sinkende Präsenz der Klimaschutzbewegung nicht absprechen. Wie kann es also noch weitergehen?

Anna meint, FFF müssten die Strukturen überprüfen und eventuelle Fehler erkennen. Sie spricht auch Veränderungen im Kern der Bewegung an, die von manchen Aktivist:innen bereits angestrebt wurden, um FFF weiter am Leben zu halten. Die 22-jährige findet, es brauche eine neue Welle an Aktivist:innen, um die jugendliche Stimme weiterhin mit in die Diskussion zu tragen. Auch erwähnt sie die Diversität der Bewegung, an der noch gearbeitet werden sollte „dass sie nicht immer die gleichen Gesichter vor der Kamera haben“.

Samira: „Ich würde mir wünschen, dass wir darüber debattieren, ob wir uns zu gewissen Dingen solidarisieren oder distanzieren. Ich glaube wir sind viel stärker, wenn wir Allianzen bilden und einfach gemeinsam auf die Straßen gehen und gemeinsam laut sind. Dass es in Zukunft nicht einfach ist, weiß ich, aber ich würde mir wünschen, dass weiter und weiter hinterfragt und nachgefragt wird. Und aber auch, dass die Leute, die in FFF arbeiten sich nicht weiter überarbeiten, weil ich glaube einfach Stress ist ein Faktor, weshalb auch viele Leute rausgehen. Generell würde ich mir für die Zukunft wünschen, dass wir es wieder schaffen den großen politischen Druck aufzubauen.“

Comeback oder Break Down - eine unsichere Zukunft

Der politische Druck- das Schlagwort für FFF. Diesen kann die Bewegung nur durch genug gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit erlangen. Auch wenn der Klimawandel heute im Allgemeinen sehr präsent und für viele Menschen Maßnahmen dagegen einleuchtend und sinnvoll wirken, die Dringlichkeit scheint sowohl großen Teilen der Gesellschaft als auch den Politiker:innen nicht bewusst zu sein. Aber kann FFF das (wieder) ändern?

Ich glaube das ist - wenn dann - nur mit einer ganzheitlichen Weiterentwicklung möglich. Aktivismus in reiner Protestform, wie von FFF gelebt, war der Start der aufstrebenden klimaaktivistischen Bewegung. Doch so sehr ich es hoffe, wird Dieser alleine auf Dauer glaube ich nicht ausreichendes politisches Handeln erreichen können. Es gibt bereits neue, radikalere Ansätze, die aktuell deutlich präsenter sind. Ob FFF auf aktuelle Veränderungen adäquat und zeitnah reagieren kann ist fraglich. So bleibt es weiterhin ein unsicherer Blick in die Zukunft, für FFF und unseren Planeten.

Text & Grafiken: Aurelia Poensgen, Titelbild: Uni Odontugs

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