Zum 17. Mal kehrt das XPosed Queer Film Festival wieder in die Kinosäle zurück und zeigt queere Perspektiven im Film. ALEX-Reporter Frankie Frangenheim sprach mit Festivalleiterin und Kuratorin Merle Groneweg über das Festival und die diesjährigen Highlights.
Im Pride Month findet vom 15. bis zum 18. Juni wieder das queere, internationale Filmfestival XPOSED in Berlin statt. Die Filme gibt es nicht nur in den Berliner Kinos Moviemento, IL Kino und Wolf Kino zu sehen, sondern auch teilweise online im Stream. Neben dem spannenden Programm im Kino gibt es viele weitere Events für queere Filmschaffende und Fans. Es finden Workshops und Diskussionsrunden im Rahmen eines Pop-Up-Campus statt und es gibt eine Virtual Reality Installation von Benjamin Busch zu sehen. Ein Fest der Filmkunst, über das Frankie Frangenheim mit Festivalleiterin und Kuratorin Merle Groneweg gesprochen haben.
Frankie: Hallo Merle, schön dich kennen zu lernen! Wie würdest du das XPOSED in drei Worten beschreiben?
Merle Groneweg: Queer, herausfordernd und solidarisch.
Ihr geht dieses Jahr zum 17.Mal an den Start, um in Berlin queere Filmkunst zu zeigen. Gibt es dieses Jahr einen Schwerpunkt, den ihr bei der Auswahl der Film verfolgt habt?
MG: Wir haben ehrlich gesagt nie einen Schwerpunkt. Es gibt höchstens rote Fäden, die sich ein bisschen durchziehen. Es gibt viele Filme, die eine Suche beinhalten. Eine Suche nach den Vorfahren, auch aus einer postkolonialen Sicht heraus, die Suche nach den Ursprüngen und damit auch immer wieder die Frage: Wo geht es eigentlich hin mit uns? Wie geht es weiter?
Ihr gebt Filmen abseits des Mainstreams und abseits von queeren Klischees einen Raum. Haben sich in den letzten Jahren neue Klischee-Trends bemerkbar gemacht bei queeren Filmen?
MG: Ich würde sagen schon. Was ich merke in den letzten zehn Jahren, ist dass das Thema Trans* bedeutender geworden ist, auch im Mainstream Kino und da gibt es relativ viele Klischee-Narrationen. Die Filme sind sehr einseitig im Fokus und haben Erzählungen, die wir vom Coming-out in Hinblick auf sexuelle Identität schon kennen. Zum Beispiel beim Erzählen von Körpern von Trans*männer wird fast immer die Mastektomie (operative Entfernung der Brust) in den Vordergrund gestellt. Es gibt sehr, sehr viele Szenen von Trans*männern, die am Ende am Badestrand liegen, um die Brust zu zeigen. Wir freuen uns deshalb über Narrative, die das anders machen.
Plekat des 17. XPosed Queer Film Festival Berlin
Ihr zeigt nicht nur Filme, sondern ihr unterstütz auch queere Filmproduktionen durch Projekte wie den Queer Short Film Fund, den es dieses Jahr zum 9. Mal gibt. Was hat sich über die Jahre geändert an den Filmideen, die eingereicht werden?
MG: Es gibt eine viel größere Vielfalt in der Auswahl. Wir haben mehr Einreichungen, Bewerbungen von Leuten, die in vielerlei Hinsicht marginalisiert sind, auch innerhalb der queeren Community. Was aber auch heißt, dass diese Personen sich bei uns bewerben, weil die Zugänge zu anderen Fördermitteln noch viel schwieriger sind. Es ist einfach sehr schwierig ist in Deutschland an Filmförderung zu kommen, wenn man nicht den klassischen Weg über die Filmhochschulen gegangen ist.
Ich glaube, was schön ist, ist, dass wir wirklich viele Geschichten kriegen, experimentell und auch Narrativen, die dann wirklich versuchen, über beispielsweise Liebesgeschichten hinaus zu gehen. Es gab viele, die sich in den letzten Jahren mit Tod und Trauer beschäftigt haben und mit Fragen rund um Nicht-Binarität und Trans* beschäftigt haben, auch aus einer humorvollen Perspektive.
Wie unterscheidet XPOSED sich von anderen queeren Filmfestivals in Deutschland?
MG: In Deutschland haben wir natürlich im Vergleich zu anderen Standorten den Vorteil, dass wir in Berlin ein Publikum haben, was andere Städte vielleicht nicht so leicht kriegen können. Also ein sehr kunstaffines Publikum, das unsere Filme auch in Originalsprache und mit englischen Untertiteln schaut. In anderen Städten haben queere Filmfestivals teilweise nochmal eine andere Rolle, weil sie dort Filme auch zeigen, die es dort nicht in die Kinos geschafft haben.
Und wie ist der Unterschied zu anderen queeren Festivals in Berlin?
MG: In Berlin gibt es viel mehr Kinos und Publikum, die Wahrscheinlichkeit, dass ein queerer Film hier läuft, ist höher. Man hat aber das Gefühl, man steht eigentlich nicht in Konkurrenz, sondern solidarisch zueinander, weil die Festivals zu unterschiedlichen Zeiträumen in unterschiedlichen Bezirken stattfinden, mit einem unterschiedlichen Publikum. Und das ist großartig.
Ich glaube, das Interessante bei vielen unserer Filme ist, dass viele würden, gefühlt, wahrscheinlich gar nicht bei anderen Filmfestivals laufen, weil das Queere so subtil vorkommt.
Das XPOSED vereint Filmfestival und Community Event in einem. Glaubst du es gibt unter queeren Filmschaffende ein Bedürfnis nach mehr Community beim Arbeiten. Gibt es in Berlin bereits Orte, wo sich queere Filmschaffende verbinden können abseits von Queeren Filmfestivals?
MG: Ich glaube, es gibt diesen Bedarf und es gibt auch immer mehr Räume und ich glaube, den Bedarf gibt es aus ganz unterschiedlichen Gründen. Viele Filmschaffende erleben natürlich nach wie vor wahnsinnig Ausgrenzung, vor allen natürlich Filmschaffende of Color, Filmschaffende, die behindert werden, und in der queeren Community insbesondere Nicht-Binäre und Trans*personen.
Es ist wichtig, dass es einen Rahmen gibt, in dem man physisch zusammenkommen kann und sich stärken und austauschen kann über Probleme und auch Kooperationspartner finden kann für Filmprojekte. XPOSED ist ein bisschen mit dem Gedanken entstanden Kurzfilmschaffende zu fördern, denn der Einstieg in Filmproduktion ist immer der Kurzfilm.
Eines der Festival Highlights ist der Wikipedia Edit-A-Thon dieses Wochenende. Woher kam die Idee diesen anzubieten und was macht dieses Event wichtig?
MG: Die Idee kam von Thomas Schaller, der bei XPOSED sich viel um organisatorische Aspekte kümmert. Er ist eng mit der Wikipedia Community verknüpft und hat den Edit-A-Thon vorgeschlagen. Das Event ist sehr wertvoll. Ein aktuelles Beispiel dazu:
Wir haben Damned if you don‘t von Su Friedrich im Programm. Su Friedrich ist eine der bedeutendsten lesbischen Filmschaffenden, die einen großen Fokus auf Experimentalfilm gelegt hat und sie hat noch keinen deutschen Wikipedia Eintrag.
Es geht darum, die Sichtbarkeit von queeren Filmschaffenden und von queeren Filmen bei Wikipedia zu fördern. Weil Wikipedia häufig mit eines der ersten Sachen ist, die angezeigt werden, wenn man im Internet sucht.
Ihr habt dieses Jahr viele starke Highlights im Gepäck, über ein Paar haben wir schon gesprochen. Was ist dein persönliches Highlight?
MG: Tatsächlich der Eröffnungsfilm. Das ist mein absoluter Favorit. ANHELL69 von Theo Montoya ist ein richtig krasser Film, der ziemlich alles vereint, was das XPOSED sein soll. Und das in einer Intensität, die wir selbst niemals so liefern könnten.
Szenenbild aus dem Film ANHELL69 von Theo Montoya, ©Salzgeber
Montoya hatte eigentlich ein Script für ein Feature-Film geschrieben, aber sein Hauptdarstellender ist an einer Überdosis Heroin gestorben. Deswegen hat er angefangen Interviews mit Freundespersonen aus dessen Umfeld zu führen. Über Drogen, Tod und über eine zerstörte Generation, die in Medellín, Kolumbien aufgewachsen ist. Und das wird erzählt in einer krassen Mischung aus dokumentarisch-experimentellen und fiktionalen Elementen. Und man sitzt da sofort und denkt krass, was sehe ich da eigentlich gerade?
Was wünscht du dir für die Zukunft des Festivals?
MG: Ich würde mir mehr Geld wünschen, damit wir die Leute besser bezahlen können oder überhaupt bezahlen können. Das würde helfen, dass das Festival auf nachhaltigere Strukturen kommen kann und vielen Leute die Möglichkeit geben, kann am Festival teilzunehmen.
Und dass eine große Neugierde bleibt und man immer schafft, die Sachen zu finden, die eben nicht kommen. Also immer noch neue, aufregende Dinge zu finden, die einen selbst begeistern, die auch andere begeistern, wo man das Gefühl hat, es gibt eine Relevanz, das zu machen.
Frankie: Vielen Dank für das Gespräch!
ALEX Berlin ist am Wochenende auch beim XPOSED dabei und berichtet live vor Ort über das Festival. Vielleicht habt ihr jetzt auch Lust vorbeizuschauen, ob live vor Ort oder beim ALEX Instagram. Wenn ihr mehr über das anstehende Programm wissen wollt, dann klickt hier um auf die XPOSED Website zu kommen.
Interview: Frankie Frangenheim, Titelbild: Szene aus dem Film YEN, ©Julia Feige
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