Es passiert wirklich – meine Weihnachtsfeier fällt wegen Corona aus. Dabei hatte ich mich schon sehr auf das gemeinsame Event gefreut: Glühwein, gutes Essen und private Unterhaltungen schweißen zusammen und sorgen für ein besseres Wir-Gefühl am Arbeitsplatz. Die Diplom-Psychologin Sandra Jankowski verrät, wie Weihnachtsfeiern dieses Jahr trotzdem stattfinden können.
Egal wo ich schon gearbeitet habe, die Weihnachtsfeier ist für alle Mitarbeiter*innen das Highlight des Jahres. Es ist die Möglichkeit, sich gegenseitig für die geleistete Arbeit zu bedanken und den Kolleg*innen in einem privateren Umfeld zu begegnen. Besonders jetzt, da ich einen neuen Job begonnen habe, wäre das gemeinsame Event der ideale Zeitpunkt, um die anderen besser kennenzulernen. Doch Corona macht mir diesen Winter einen Strich durch die Rechnung. Natürlich sind die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie notwendig – dennoch ist es schade, dass klassische Weihnachtsfeiern nicht stattfinden. Im Internet werden viele Möglichkeiten vorgeschlagen, die Feier digital zu gestalten. Aber können virtuelle Weihnachtsfeiern gelingen?
Schon vor dem Home Office war es wichtig, ein Teamgefühl zu haben.
Sandra Jankowski
Wie ich ganz persönlich finde, sorgt eine persönliche Bindung zu Vorgesetzten und Kolleg*innen für einen ganz anderen Umgang miteinander im beruflichen Umfeld. Das bestätigt auch Sandra Jankowski: „Schon vor dem Home Office war es wichtig, ein Teamgefühl zu haben“. Wenn man sich zugehörig fühlt und Wertschätzung erfährt, findet auch eine produktivere Arbeit statt, so die Diplom-Psychologin. Die Anerkennung der anderen sei ein wichtiger Grund dafür, dass man überhaupt Arbeiten geht.
Oft wird bei einer Weihnachtsfeier die Teambindung aufgebaut und gestärkt. Jankowski bemerkt, dass eine solche Veranstaltung eine sehr hohe Bedeutung für Arbeitnehmer*innen hat. Selbst ein halbes Jahr später sprechen die Mitarbeiter*innen noch darüber, was auf der Weihnachtsfeier passiert ist. Wenn dies wegfällt, sei das schade. Es gibt aber Unterschiede: Teams, in denen sowieso eine gute Kommunikation herrscht, fällt es nicht ganz so schwer, auf die Weihnachtsfeier zu verzichten. Doch Jankowski warnt: Teams mit geringem persönlichem Austausch untereinander trifft der Verlust eines solchen Events besonders stark. In einem solchen Fall ist die Weihnachtsfeier eine der wenigen Möglichkeiten im Jahr, mit Kolleg*innen Gespräche über die Arbeit zu führen.
Daneben ist die Weihnachtsfeier laut Jankowski ein Faktor, um das Zugehörigkeitsgefühl zur Firma zu stärken. Denn Vorgesetzte nennen bei diesem Anlass häufig Produktivitätszahlen oder vermitteln die Unternehmenswerte. Firmen geben teilweise viel Geld für eine solche Veranstaltung aus. Über die Weihnachtsfeier wird den Mitarbeiter*innen so Wertschätzung entgegengebracht. Diese bemerken, dass sie für das Unternehmen bedeutsam sind, erklärt die Psychologin. „Das ist schon eine Form von Lob, Bestätigung und Anerkennung“, führt Jankowski an.
Doch selbst in diesem Jahr müssen Teams nicht auf Glühwein mit den Lieblingskolleg*innen verzichten. Aber wie funktionieren digitale Weihnachtsfeiern? Im Internet bin ich auf einige Vorschläge gestoßen: So gibt es virtuelle Escape-Rooms, Cocktail-Kurse, Koch-Events und Weinproben. Auch Künstler*innen lassen sich buchen, um online zu performen. Sandra Jankowski rät Firmen und Teams dazu, eine solche digitale Alternative für die Weihnachtsfeier wahrzunehmen. Damit kann auch in Pandemie-Zeiten ein Zusammenkommen möglich sein.
Abgesehen von der Weihnachtsfeier gibt es laut der Psychologin noch andere Möglichkeiten, den privaten Austausch im Home Office zu pflegen. Vieles ist dabei von der Führungskraft abhängig: Gibt es klare Strukturen, funktioniert die Technik und wird Raum für eine regelmäßige Kommunikation geschaffen? Chef*innen sollten ermöglichen, dass sich Teams untereinander gut vernetzen können. Sind diese Voraussetzungen im Arbeitsumfeld nicht gegeben, sei viel Eigeninitiative gefragt. Jankowski empfiehlt, dass Kolleg*innen privat ein digitales Meeting starten, um etwa Kaffeeklatsch oder eine gemeinsame Mittagspause zu machen. „Damit man sich für solche Gespräche ganz gezielt verabredet“, erklärt die Psychologin.
Im Home Office sollte es immer einen Mix zwischen Anspannung und Entspannung geben.
Sandra Jankowski
Generell bringt Home Office einige weitere Herausforderungen mit sich: Auf der einen Seite kann es schwer sein, produktiv zu arbeiten. Auf der anderen Seite können viele Menschen nach der Arbeit nicht abschalten. Dazu rät Jankowski: „Ich sollte mir wirklich eine klare Struktur machen: Dann ist Arbeitsbeginn, dann ist Arbeitsende“. Nach Feierabend und am Wochenende sollte man nicht mehr erreichbar sein. Daneben sind Pausen im Home Office essentiell: „Es sollte immer ein Mix zwischen Anspannung und Entspannung geben“, empfiehlt die Diplom-Psychologin. Wer damit Schwierigkeiten hat, sollte sich selbst evaluieren: Wann ist es mir innerhalb des Arbeitstages möglich, Ruhephasen einzubauen? Oft hilft es auch, sich nicht nur berufliche Meetings in den Terminkalender einzutragen, so Jankowski. Stattdessen sollten auch Zeiten, die man allein verbringen möchte – etwa um ein Buch zu lesen oder Yoga zu machen – fest eingeplant werden.
Bei den Ratschlägen von Sandra Jankowski habe ich mich teilweise selbst ertappt. Oft habe ich im Home Office das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen. Am Wochenende will ich liegengebliebene Aufgaben nacharbeiten, um in der kommenden Arbeitswoche weniger Stress zu haben. Doch im Endeffekt führt das dazu, dass ich nie wirklich abschalten kann. Mein Vorsatz für die nächste Zeit ist es daher, mir mehr Auszeiten zu gönnen. Auch virtuellen Weihnachtsfeiern stehe ich nach meinem Gespräch mit Sandra Jankowski offen gegenüber: Wenn dieses Jahr alles digital stattfindet, wieso nicht auch die Weihnachtsfeier? Über ein solches Event wird man wahrscheinlich sogar noch länger als ein halbes Jahr später reden. Und hoffentlich ein wenig lächeln können.
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