Die Ausbreitung des Coronavirus hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer TV-Ansprache gestern als größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg bezeichnet.
Die Notwendigkeit, als Gesellschaft solidarischer denn je zu handeln und sprichwörtlich zusammenzurücken, obwohl man faktisch Abstand zueinander hält, ist noch längst nicht bei allen angekommen. Unsere Kollegin Uni Odontugs ist Deutsche mit mongolischen Wurzeln und hat seit COVID-19 nicht nur mit fehlendem Klopapier zu kämpfen – eine persönliche Wahrnehmung der aktuellen Situation.
Tag zwei im Homeoffice dank Coronavirus und ich habe das Gefühl, dass mir jetzt schon die Decke auf den Kopf fällt. Wie alle mittlerweile wissen, wurden Schulen, Universitäten, Bibliotheken und Kulturstätten bis auf weiteres geschlossen – voraussichtlich ab dem 20. April soll es erst wieder „normal“ weitergehen.
Ich erinnere mich als wäre es erst gestern gewesen, als die Meldung eines neuartigen, SARS-ähnlichen Virus in den Umlauf gekommen war, wir uns aber keinerlei Sorgen machen sollten. Wenig später, mit den ersten Meldungen über Fälle in Europa, ging eine abstruse Grundstimmung einher: Auf einmal wurde ich schief angeschaut, ganz so, als wäre ich persönlich Schuld an der Existenz eines derartigen Virus. Spätestens wenn ich niesen musste, platze die Toleranzgrenze des Gutbürgertums und viele wechselten ihren Platz in der Bahn.
Als dann die ersten Fälle in Berlin gemeldet wurden, hieß es immer noch „keine Panik auf der Titanic“, Berlin ist gut vorbereitet und es sei nichts anderes als eine weitere Grippewelle. Zugegebenermaßen ist Berlin tatsächlich besser vorbereitet, als so manch andere europäischen Länder. Das Böse C Virus ist an dieser Stelle aber nicht mein Hauptbedenken, viel mehr mache ich mir Sorgen, weil die Menschen zunehmend Panischer werden. Alle Regale in den Supermärkten leer zu räumen oder sich einen Bunker mieten und ihn mit Konserven zu befüllen, löst das Problem nicht.
Grundsätzlich beschleicht mich das Gefühl, unsere Gesellschaft hat sich in grob zwei Gruppen gespaltet: Zum einen diejenigen, denen – sagen wir es mal ganz salopp – „alles Kackegal ist“ und zum anderen jene, die sich einkesseln mit Nudeln, Pesto und einem Dutzend Milchtüten. Während erstere im ärgsten Fall andere in Gefahr bringen oder beschließen in die Wildnis zu ziehen, scheint es als würden letztere sich auf eine gefühlte Zombie Apokalypse vorbereiten und Pläne zum Überleben schmieden. Immerhin hat man ja genügend Ressourcen gebunkert, dass man sich im Falle einer Zombie Apokalypse, mit Pesto Gläsern verteidigen kann…
Auch ich freunde mich langsam mit dem Gedanken an, mich der Situation anzupassen und Tauschgeschäfte mit Klopapier zu betreiben – was in meinem Fall nicht funktionieren würde, da ich selber immer zu spät komme und ich mich strikt weigere, um 6 Uhr in der Früh aufzustehen und mich mit anderen Kundinnen und Kunden in die Startlöcher zu stellen, um Kaufland zu plündern.
Ok schön und gut, wie geht’s jetzt aber weiter? Das ist eine sehr gute Frage auf die ich bisher keine Antwort kenne. Was die Sicherheitsmaßen mit Anreisenden, Pendeln etc angeht, hätte das meiner Meinung nach alles schon viel früher passieren sollen. Man bekommt tagtäglich, wenn nicht sogar stündlich, neue Berichte darüber, wie viele Menschen wo an dem COVID-19 Virus verstorben sind, aber selten bis keine Berichte, über einen vernünftigen Lösungsweg. Stattdessen kämpfen Menschen mit den gefühlt letzten Lebensmitteln, obwohl Frau Merkel in ihrer Pressemitteilung deutlich gesagt hat, dass Institutionen wie Lebensmittelgeschäfte, Ärzte, Krankenhäuser und Frisöre offen bleiben, denn: Hauptsache man stirbt mit einem #freshen Haarschnitt.
Quarantäne schön und gut (wenn sich mal alle daran halten würden), trotzdem ist dieser Virus im Umlauf und für vorerkrankte und ältere Personen gefährlich – aber das wäre jede andere schwerwiegende Krankheit auch. Die Berichte über den COVID-19 kann ich mittlerweile nicht mehr hören, trotzdem sind sie allgegenwärtig – erst Recht im Homeoffice. Ob man diese Grippe einfach Zuhause aussitzen kann, wahrscheinlich. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass gewisse Maßnahmen zu spät angeordnet wurden und die zunehmende Angst der Bürgerinnen und Bürger durch Panikmache in den Medien weiter geschürt wird. Lasst uns dem mit positiven Beispielen entgegenwirken, es gibt so viele, die aufgrund der Ausnahmesituation gerade Großartiges auf die Beine stellen! [siehe unten]
Außerdem wünsche ich mir, gerade im Corona- Kontext, eine Aussprache zum Thema Rassismus. Denn die Menschenfeindlichkeit asiatischen Mitmenschen gegenüber ist schlichtweg nichts anderes und in Ausnahmesituationen wie dieser, schlimmer für alle Beteiligten denn je. Wir sitzen alle im selben Boot, also lasst uns einander helfen! The Coronavirus doesn‘t scare me but your rasism does.
Aktuell wachsen aus der Ausnahmesituation, die uns der Coronavirus auferlegt, nicht nur Panik und Existenzängste, sondern auch großartige Ideen und kreative Hilfsmaßnahmen für Betroffene. Wir haben mal ein paar für euch aufgelistet:
Ihr habt selbst gute Ideen? Die Bundesregierung veranstaltet morgen, am 20.03., den Hackaton #WirvsVirus und ruft die Zivilgesellschaft auf, innerhalb von 48h digitale Lösungen zu den Herausforderungen im Umgang mit dem Coronavirus einzureichen. Mehr Infos findet ihr auf WirvsVirus.
Erfahrungsbericht & Bilder: Undral Odontugs, Einführung & Tipps: Lisa Slaby
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