Nebenwirkungen der Pandemie: Wie Anti-Asiatischer Rassismus salonfähig wurde

Asiatisch gelesene Menschen erfahren besonders zu Beginn der Pandemie rassistische Anfeindungen – weil Corona als asiatisches Virus wahrgenommen wird.

Anfang 2020 wird in Deutschland vermehrt über das Corona-Virus berichtet. Während sich nervöse Panik breitmacht und Maskenpflicht und Lockdowns diskutiert werden, steigt die Angst vor Ansteckungen mit dem unbekannten Virus. Inmitten der Gesellschaft tritt etwas zu Tage, was seit Jahren gärte: Anti-Asiatischer Rassismus.

Immer häufiger berichten asiatisch gelesene Menschen zu Beginn der Corona-Pandemie von rassistischen Übergriffen und Anfeindungen. Ihnen wird „Corona“ nachgerufen, in Supermärkten wird ein großer Bogen um sie gemacht, Schals werden demonstrativ über die Nase gezogen, wenn sie vorbeilaufen. Sogar Fälle von institutioneller Diskriminierung, wie durch Racial Profiling werden bekannt. Und gelegentlich kommt es auch zu körperlichen Übergriffen.

Spätestens die Proteste zu „Black Lives Matter“ und dessen großes mediales Echo haben Debatten über Rassismus gegenüber People of Color in Deutschland ausgelöst. Die Diskriminierung gegenüber der asiatischen Community ist in den Debatten aber relativ selten Thema.

Darf ich noch Glückskekse essen?“ – Rassismus in den Medien

Anfangs berichten meist Privatpersonen über TikTok, Instagram und Twitter über rassistische Anfeindungen im Alltag. Unter dem Hashtag #IchbinkeinVirus teilten viele Betroffene ihre Geschichten auf Twitter oder Instagram. Auch auf der gleichnamigen Plattform „Ich bin kein Virus“, die als ehrenamtliches Projekt ins Leben gerufen wurde, konnten Betroffene von ihre Erfahrungen teilen. Im Sommer 2021 wurde das Projekt eingestellt, doch die Berichte sind bis heute nachlesbar und eine Erinnerung an die Erlebnisse der Menschen.

Eine große Rolle beim Entfachen von anti-asiatischem Rassismus spielten besonders zu Beginn 2020 vor allem auch diverse Medienberichte. Gegen die öffentliche Diskriminierung stellte und stellt sich unter anderem die Berliner Initiative „korientation e.V.“, ein Netzwerk für Asiatische Deutsche. Bereits damals kritisierte der Verein das Bedienen rassistischer Klischees in der COVID-19-Berichterstattung. Die Sammlung auf der Webseite des Vereins reicht von „Asiatische Lebensmittel in Deutschland – Darf ich noch Glückskekse essen?“ über „CORONA VIRUS – Made in China [in gelber Schrift] – Wenn Globalisierung zur tödlichen Gefahr wird“ hin zu „Gefährliche Wildtiermärkte – Futtert uns China in die Katastrophe?“. Neben Boulevardblättern wie die BILD sind auch als Qualitätsmedien bezeichnete Medien wie Spiegel oder das ZDF in der Sammlung vertreten. Das zeigt, wie unverhohlen und offensichtlich Stereotype transportiert werden, um möglichst provokativ zu sein.

Rassismus gegenüber Asiat:innen bestätigt sich auch wissenschaftlich

Es gibt weitere Hinweise, dass es im Zuge der Pandemie häufiger zu Diskriminierungen kam. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt fest, dass die Zahl der gesamten Beratungsanfragen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 78,3 Prozent gestiegen ist. Dabei handelt es besonders oft um rassistische Diskriminierungen. Besonders sind Menschen, denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wird, betroffen, zeigt die Antidiskriminierungsstelle auf.

Was viele Asiat:innen wahrnehmen und „IchbinkeinVirus“ zeigt, belegt auch ein Kooperationsprojekt zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin, der Freien Universität Berlin sowie dem Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Obwohl es das Thema recht selten in die Forschung schafft, untersucht das Projekt anti-Asiatischen Rassismus während der Corona-Zeit. Für die Studie befragte man sowohl Betroffene, als auch die generelle Einstellung der Bevölkerung. Der „Mediendienst Integration“ hat dazu die Zahlen veröffentlicht.

Das Ergebnis der Studie: 15 Prozent der befragten Personen halten Asiat:innen für die schnelle Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland verantwortlich. Umso weniger überraschend ist es, dass 49 Prozent der befragten Asiat:innen während der Pandemie Diskriminierung erfahren haben. Betroffene berichten, dass sie vermehrt nonverbal diskriminiert wurden – zum Beispiel durch das demonstrative Wechseln des Sitzplatzes in der Bahn. Verbale Angriffe wie das Hinterherrufen von Aussagen wie „China-Virus“ kamen auch sehr oft vor. Erschreckend ist, dass 11 Prozent der Befragten von körperlichen Angriffen berichten.

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Die Konsequenzen von anti-Asiatischem Rassismus sind längst weltweit sichtbar. Im März 2021 stürmt ein damals 21-Jähriger nahe Atlanta mehrere Massagesalons und ermordete acht Menschen, davon sechs Frauen asiatischer Herkunft. Die Tat löst in den USA eine Debatte über die Motive des Täters aus. Im Mittelpunkt steht der damalige US-Präsident Donald Trump. Ihm wird vorgeworfen, er würde antiasiatischen Hass indirekt antreiben. Immer wieder bezeichnet er COVID-19 als China-Virus, China-Plage und als „Kung-Flu„.

Antiasiatische Gewalt ist jedoch kein Pandemie-Phänomen. Auch in Deutschland gab es schon schwere, rechtsextreme Angriffe auf die Asiatische Community. In diesem Artikel erfahrt ihr mehr.  

„Die Menschen haben einen Riesenbogen um mich gemacht“

Chao und Danyu erzählen, wie schwer es ist, als Asiatisch gelesene Person anti-Asiatischen Rassismus und diskriminierende Übergriffe hautnah mitzuerleben. Wie sie die Zeit damals wahrgenommen haben und welche Gedanken sie sich währenddessen gemacht haben, erzählen sie selbst:

Chao erzählt, was sie zu Beginn der Pandemie erlebt hat
Danyu spricht über das Gefühl, die Anfeindungen als Deutsch-Asiatin in der eigenen Heimat zu beobachten
Es fühlt sich einfach schockierend und frustrierend zugleich an, sich als eine Deutsch-Asiatin, die ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht hat, auf der Straße sowas anhören zu müssen oder auch zu sehen, was die Anderen, die dieselbe Herkunft mit dir teilen, durchmachen müssen“ – Danyu

Empowerment der asiatischen Community

Der anti-Asiatische Rassismus erschüttert besonders die asiatische Community. Umso wichtiger sind für diese Projekte wie Ich bin kein Virus“, denn sie können dabei helfen, Rückhalt in der eigenen Community zu finden. Eine Produktion, die sich mit Asiatischen Identitäten und dem Leben innerhalb verschiedener Kulturen beschäftigt, ist der Podcast „Beyond Asian“. Sen Zhan, Produzentin des Podcasts, spricht dafür mit Menschen mit asiatischer Migrationsgeschichte. Sie will stereotypen, klischeehaften Darstellungen von Asiat:innen als Vorzeigeminderheit („Model Minority“) entgegensteuern. Ihr Ziel ist es, zu zeigen, dass Asiatische Identitäten „darüber hinaus“ noch viel mehr sind („beyond“ = „darüber hinaus“). Sen selbst ist in China geboren, in Kanada aufgewachsen und lebt mittlerweile in Berlin. Ihr ist es wichtig, Betroffene von Diskriminierung nicht nur als Opfer darzustellen, sondern aufzuzeigen, wo die Stärken und Resilienz innerhalb der Community liegen.

Sen findet, dass das Zusammenkommen mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, sehr bestärkend sein kann. Besonders wichtig als Person, die zwischen verschiedenen Kulturen lebt, sei es, medial präsentierte Klischees und Erwartungen nicht zu internalisieren. Sie befürwortet das Erzählen der eigenen, individuellen (Migrations-)Geschichte.

“When we’re able to own who we are and own where we come from and own the experiences that have shaped who we are in life, then we can step forward and be different people. We can be who we want to be while not escaping our past. So, the empowerment comes from not running away but also not being fixed by what other people expect you to be.” – Sen Zhan

Was können wir gegen anti-Asiatischen Rassismus tun?

Anti-Asiatischen Rassismus gibt es nicht erst seit Corona. Aber er hat sich dadurch massiv verschärft. Reißerische Titelseiten und Schlagzeilen und unreflektierte Tweets von Politiker:innen haben diesen befeuert. Scheinbar reicht ein Funke, um Hass gegen Minderheiten zu entflammen.
Was wir alle tun können: Nicht wegschauen, sondern aktiv werden. Das Problem beim Namen nennen. Betroffenen zuhören und uns informieren. Nachfolgend findet ihr eine Sammlung von Anlaufstellen und Empfehlungen für diejenigen unter euch, die sich gerne weiter informieren möchten.

Ein Beitrag zum Thema „Rassismus in der Pandemie“

*Asiatisch“ ist hier als politische Kategorie und nicht als reele Eigenschaft gemeint – deshalb wird es großgeschrieben. Die Rassismuserfahrungen, um die es hier geht, richten sich gegen Menschen, die von Außen als Asiatisch“ wahrgenommen werden – unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen.

Anlaufstellen und Empfehlungen

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